Mönchengladbachs Oberbürgermeister Felix Heinrichs

Interview mit Oberbürgermeister Felix Heinrichs.
Felix Heinrichs ist mit 31 Jahren der jüngste Oberbürgermeister, den NRW bisher hatte. Heinrichs studierte Geschichte und Politik in Düsseldorf, ist seit 2003 Mitglied der SPD und zog 2014 erstmals in den Rat ein. Er wurde zum Fraktionsvorsitzenden der SPD Ratsfraktion gewählt und war wesentlich daran beteiligt, dass die Koalition aus CDU und SPD reibungslos arbeitete. Chefredakteur Peter Wagner traf Felix Heinrichs in seinem Büro im Rathaus Abtei.

 

GURU: Sie sind der jüngste Oberbürgermeister: Viele ihrer leitenden Mitarbeiter und die Dezernenten sind deutlich älter als Sie: Spüren Sie deren vollen Respekt oder haben Sie das Gefühl, dass das junge Alter auch eine Bürde sein kann?

Felix Heinrichs: Ich war überrascht, wie viel Respekt dem Amt entgegengebracht wird. Das ist man so im normalen Leben gar nicht gewöhnt. Selbst Menschen, die man schon lange kennt, zu sagen: Komm, lass uns Mal ganz normal miteinander arbeiten. Das Alter spielt da überhaupt keine Rolle. Ich verstehe, wenn Menschen zu mir kommen und sagen „Herr Oberbürgermeister“, aber Herr Heinrichs reicht völlig, bzw., wenn man viel miteinander zu tun hat: Felix.

GURU: Sie müssen die Stadt und ihre Bürger ins Digitale Zeitalter führen? Dazu braucht es schnelle Verbindungen und Ideen, wie man analoge Prozesse ins Digitale überführt und das qualifizierte Personal für die Umsetzung. Welche Ideen haben Sie? Lassen Sie sich da auch beraten? Haben wir genügend digital kompetente Menschen in der Stadt, um entsprechende Lösungen zügig umzusetzen?

Heinrichs: Die digitale Transformation betrifft ja nicht nur die Verwaltung, sondern die Wirtschaft und Gesellschaft in Gänze. Wir erleben, dass sich die Gesellschaft schneller digitalisiert als jeder Plan. Im Privaten läuft da ja bereits sehr viel. Der Staat hängt dabei aber immer noch etwas zurück, weil es starke gesetzliche Regelungen gibt. Ich fände es etwa toll, wenn Sie ihren Personalausweis online beantragen könnten – das ist aber juristisch nicht möglich, weil Sie persönlich erscheinen müssen. Das Problem sind die Unterschrifterfordernisse. Ich wäre froh, wenn es da andere Möglichkeiten gäbe: doch da ist der Bundesgesetzgeber gefordert. Was wir wohl planen: Überall da, wo Digitalisierung leicht möglich ist: es einfach machen. Nicht für alles ist ein Masterplan-Prozess notwendig. Man muss die Dinge einfach Stück für Stück umsetzen. Beispielsweise ist es uns in der Corona-Zeit gelungen, dass Reiserückkehrer-Formular schon im Sommer selbst mit eigenen Kräften zu digitalisieren. Das wurde von den Menschen auch super angenommen. Mir zeigt das, dass Spontanität bisweilen das Beste ist.

Wir müssen noch deutlicher machen, dass digitale Prozesse oft besser und effizienter sind, als analog zu arbeiten. Ich denke, wir erreichen gerade auch so einen Punkt, wo die Positionierung zur Digitalisierung bei vielen Leuten kippt: klare Prozesse, ein guter Workflow und die Unabhängigkeit von einem Büroarbeitsplatz sind Vorteile, die immer mehr Menschen erkennen und dabei auch die Ängste von manchen – etwa um ihren Arbeitsplatz – schwinden. Im Bereich des Bürgerservice, bei der Erstellung von digitalen Formularen geschieht gerade sehr viel: und das auch vernetzt mit anderen Kommunen, denn man muss das Rad ja auch nicht immer neu erfinden, wenn eine Kommune eine bestimmte Aufgabenstellung bereits gelöst hat: da arbeitet man zusammen und teilt das bereits Geschaffene.

So bündelt beispielsweise auf der städtischen Internetseite im ServicePortal eine neue Plattform Online-Dienste der Verwaltung, auf der Informationen und Ansprechpartner zu 400 Anliegen und Formulare zu 45 Dienstleistungen hinterlegt sind. Bei diesen Serviceleistungen, die nach und nach durch weitere Online-Formulardienste ergänzt werden sollen, müssen die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr ins Rathaus kommen.

GURU: In der City MG sorgt das MINTO noch für Frequenz. Auf dem Kapuzinerplatz entsteht die Markthalle. Um die Rheydter Innenstadt sorgen sich viele Rheydter Bürger. Hat Rheydt noch eine Chance, als Markt- und Einkaufsort zu bestehen oder sehen Sie andere Nutzungsmöglichkeiten für die bestehende Struktur?

Heinrichs: Sowohl als auch! Natürlich wird es in Rheydt weiterhin auch Einzelhandel geben. Was es aber nicht mehr geben wird: dass man hunderte Meter von Geschäft zu Geschäft läuft und alle Lokale sind ausgebucht. Aber es gibt in Rheydt nach wie vor auch Neuansiedlungen von mutigen, engagierten Leuten. Aber sicher nicht in der großen Masse. Wer weggeht, sind die Filialisten C&A, Karstadt und Co, die ja bereits schon geschlossen haben oder schließen werden. Das wieder zu füllen, ist die eine Aufgabe. Andererseits müssen wir noch Mal rangehen – das ist möglich, da wir wieder Landeszuschüsse erhalten haben – und noch Mal weiterdenken. Da kommen wir dann auch zu den großen Punkten: Wo etwa kommt Einzelhandelsfläche weg, wo können wir Wohnen stärken, wo kann mehr Gastronomie Platz finden. Das werde ich nun auch zu meinem Thema machen. Es muss eine neue Perspektive geschaffen werden. Und die wird nicht die Vergangenheit sein, sondern es wird eine neue Zukunft sein.

GURU: Ihre Zusammenarbeit mit Dr. Schlegelmilch war in der letzten Ratsperiode außerordentlich gut und vertrauensvoll. Bedauern Sie, dass das nun vorbei ist?

Heinrichs: (Lacht) Die Zusammenarbeit ist ja immer noch da, nur anders. Dr. Schlegelmilch ist nun nicht mehr Fraktionsvorsitzender einer der Mehrheitsfraktionen. Wir haben aber nach wie vor einen Austausch miteinander und die Zusammenarbeit wird gut sein. Ich nehme bei allen Vertretern im Rat wahr, dass sie wissen, dass die Stadt vor großen Herausforderungen steht – durch Corona noch einmal beflügelt – und da wird sich niemand in die Fundamentalopposition zurückziehen.